Der münchner Norden im Rückspiegel // Sustainable Urbanism Vertiefung

WINTER 2015/16
VORLESUNGSREIHE UND SEMINAR

METROPOLE, PERIPHERIE UND TRANSIT

Es ist nicht ohne Weiteres möglich, den Münchner Norden mithilfe einem oder mehreren bestimmenden Hauptelementen zu charakerisieren - der Blick auf die Karte zeigt – neben den immensen Ausmassen des Gebietes, das grundsätzlich alle Stadtteile nördlich des Mittleren Ringes einschließt - dessen heterogene Struktur: Neben Einfamilienhausgebieten und Nachkriegssiedlungen ist diese Gegend geprägt von Industrie und funktionalen Elementen überlokaler Bedeutung: Kasernen, Forschungsinstitute, Infrastruktur. Zunehmend im Fokus städtischer Entwicklungsprozesse, Pufferzone für den überhitzten Wohnungsmarkt und die Expansion flächenintensiver Unternehmen sind es für den Stadtteil vor allem die Infrastrukturen, die auf unabsehbare Zeit bestehen bleiben, ohne dass deswegen deren Rolle hinterfragt wird.

Zu eben diesen Elementen mit mangelndem lokalen Bezug gehört auch die Ingolstädter Straße, eine Bundesstraße die den Mittleren Ring mit dem Autobahnring verbindet.

Als klassische Ausfallstraße verbindet die ehemalige „Ingolstädter Landstraße“ die Kernstadt mit dem nächsten Ballungsraum bzw. dem überregionalen Fernstraßennetz.  Der Unterschied zum Boulevard besteht dabei in erster Linie im einseitigen funktionalen Bezug der sie umgebenden Vorstädte auf den Straßenraum. Die verkehrsplanerischen Überformungen der 60er und 70er Jahre haben den Graben zwischen Straßenraum und Umgebung weiter vertieft - in vielen Bereichen wurde das erklärte Ziel, die Ausfallstraßen zum Bestandteil eines Netzes von Stadtautobahnen zu machen zumindest im Hinblick auf die räumlichen Auswirkungen erreicht, den Flächenfraß kreuzungsfreier Anschlüsse ganzer Industriegebiete und Schallschutzwände inklusive.

Die Überlegung was Straßen wie die Ingolstädter Straße für die umliegenden Quartiere bedeuten und welche Entwicklungen im Hinblick auf Defizite im Bereich von Quartiersvernetzung, öffentlichem Charakter und Stadtraum wünschenswert wären steht am Beginn der Auseinandersetzung mit dem Thema.

 

I. LIVING-CITY

Untersuchungen zur Vielfalt von Wohnformen und Freiräumen:

Die Wohnsituationen in den an die Ingolstädterstraße angrenzenden Wohngebieten sind vielfältig und variieren je nach Zentrumsnähe. Sie dokumentieren das ringförmige Wachstum der Stadt und die verschiedenen Perioden der Stadterweiterungen Münchens. Diese reichen von den Blockrandbebauungen des ausgehenden 19. Jhds. an der Leopoldstraße, über die Siedlungserweiterungen der 1940er Jahre in Milbertshofen im Hard, bis zu den modernistischen Planungen der 1960er und 1970er Jahre entlang der Heidemannstraße.

In allen Wohnbebauungen lassen sich verschiedene Wohnkonzepte erkennen, die sich durch unterschiedliche Wohntypologien und deren Verhältnis zu öffentlichem und/oder privatem Freiraum auszeichnen. Um eine konkrete Vorstellungen zur Vielfalt der unterschiedlichen Wohnformen, ihrer Bewohner und Lebensstile zu erhalten, sollen die besonderen Merkmale der Wohnbebauungen und ihr Verhältnis zum Außenraum in den Quartieren entlang der Verkehrsachse untersucht werden. 

 

II. SERVICE-CITY

Untersuchungen zur Vielfalt von Arbeit und Konsum:

Als Besonderheit des Münchner Nordens kann der sich entlang des Frankfurter Ring erstreckende Industrie- und Gewerbegürtel betrachtet werden, der mit Standorten großer Automobilkonzerne aber auch von Kleinen- und Mittelständischen Unternehmen, Einkaufs- und Konsumangeboten eine Vielfalt an Arbeitsplätzen wie auch an Konsumeinrichtungen in der Mitte der Stadt verortet. Entlang der Ingolstädterstraße soll die Vielfalt der Arbeitsplatz-  und Konsumangebote untersucht werden. Dabei liegt eine spezielle Aufmerksamkeit auf den unterschiedlichen Zeitregimen und Nutzerfrequenzen, die sich daraus entwickeln. Das Stadtentwicklungskonzept München sowie einzelne Studien zur Nachverdichtung zeigen das Misch- und Gewerbegebiete der Stadt je nach Lage ein großes Verdichtungspotential aufweisen. Es stellt sich die Frage, ob hier in Zukunft multifunktionale Stadtquartiere entstehen können. 

 

III. INFRA- (OR NON-LIEU) CITY

Untersuchungen zur Zentralität von Orten des alltäglichen Lebens:

Die Quartiere entlang der Ingolstädterstraße sind stark durch deren Ausbau zur Bundesstraße B13 geprägt. Zum anderen sind die Quartiere auf die Nutzung des Autos als Haupttransportmittel ausgerichtet. Die Untersuchung unterschiedlicher Zentralitäten von Orten soll über die Qualitäten der Erreichbarkeit  verschiedener Aufenthaltsorte Auskunft geben. 

 

IV. NETWORKED-CITY

Vernetzte Orte:

Die Entwicklungsgeschichte der verschiedenen Quartiere entlang der Ingolstädterstraße ist eng mit dem Ausbau der Verkehrsachsen verbunden. Der Kraftverkehr lässt einzelne Bereiche der angrenzenden Quartiere zu attraktiven Standorten mit überlokaler Bedeutung werden. Die Vernetzung unterschiedlicher Nutzungen bsp. für Fußgänger sind jedoch weniger stark ausgebildet. Ausgehend von den verbindenden und trennenden Wirkungen verschiedener Infrastrukturen ergeben sich unterschiedliche Qualitäten der lokalen Vernetzung innerhalb und zwischen den Quartieren mit Bereichen unterschiedlicher Geschwindigkeiten und unterschiedlichen Nutzern. 

 

V. INFORMAL-CITY

Unerwartete Öffentlichkeit/Untersuchungen zur Anpassung von Raumnutzungen durch soziale Praktiken:

Soziale Aktivitäten im öffentlichen und halb-öffentlichen Raum wie das Gespräch auf der Straße, das Treffen auf Märkten, in Parks oder Cafés werden als wichtiges Element einer urbanen Lebensführung und als Form der Gemeinschaftlichkeit gewertet. Diese spiegelt sich in der Kultur und Baukultur der Stadt wider. Die Untersuchung der unterschiedlichen Möglichkeiten der Anpassung oder Aneignung von Raumnutzungen sind daher wichtige Hinweise auf die Offenheit und Anpassungsfähigkeit von Programmen und Räumen. Die Untersuchung soll Orte informeller Nutzungen direkt und indirekt identifizieren. Die Temporalität bzw. Langfristigkeit der sozialen Praktiken und der damit verbundenen Interventionen sind dabei von großer Bedeutung. 

 

VI. CITY OF BORDERS AND CONTROL

Untersuchung räumlicher und sozialer Grenzen:

Soziale, umwelttechnische und gesetzliche Regularien formen die Gestalt der Stadt. Die Abstände zwischen Häusern, die Durchmischung der Nachbarschaften, die Anzahl Parkplätze oder Geschäfte werden durch Regeln und Vorschrif-ten direkt oder indirekt gesteuert. Durch Verkehrs- und Lärmbelastungen unsichtbare Grenzen, welche die Nutzung und Gestaltung des Raumes einschränken. Umgekehrt markieren private Zäune und Überwachungskameras Grenzen der sozialen Kontrolle im Raum, die über verschiedene Formen der Sichtbarkeit die Gestalt der Stadt formen.

 

VII. TRANSFORMATIVE-CITY

Untersuchungen zum räumlichen Transformationspotential und sozialer Anpassungsfähigkeit:

Die gebauten Räume, Siedlungen und Infrastrukturen entlang der Ingolstädterstraße wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Münchner Siedlungsentwicklung erstellt und unterliegen daher unterschiedlichen Lebensdauern und Zeitregimen. Renovationszyklen, Abbruch und Neubau oder Umnutzungen orientieren sich am Alter der Bauten. Über das demografische Alter der Bewohner und die Lebensphasen in denen sie sich befinden, werden zudem bestimmte Nutzungsanforderungen an den Raum vorgegeben. Die Untersuchung der unterschiedlichen Zeitregime soll Aufschluss über das Transformationspotential der Quartiere geben. 

 

VIII. SENSIBLE-CITY

Untersuchung zum Identifikationspotential der Quartiere: 

Jedes Quartier bildet mit der Zeit Eigenarten aus, die aus der Kultur der Bewohner und den Eigenschaften des bebauten Raums entstehen. In manchen Quartieren sind es einzelne Orte mit einem hohen Identifikationspotential, ein Brunnen im öffentlichen Raum, ein Baum, eine Kirche oder ein historisches Relikt,  in anderen Quartieren werden Geschichten über Personen, Tätigkeiten oder Ereignisse weiter gegeben. Untersucht werden soll, welche besonderen Qualitäten und Eigenschaften zum identifikatorischen Potential der Quartiere entlang der Ingolstädterstraße beitragen.

 




// TERMINE / SCHEDULE

 

Montags im Anschluss an die Vorlesung 15:00 - 18:00 Uhr // vorauss. Raum 2255

Mondays after the lecture series 3:00pm - 6:00pm  // room 2255

 

Alle Lehrmaterialien sind via moodle zugänglich.

All necessary course materials are available via moodle.

www.moodle.tum.de