MCube aqt – Autoreduzierte Quartiere für eine lebenswerte Stadt

Transformative Forschung zur Zukunft der Mobilität in städtischen Quartieren

Im MCube Innovationsprojekt aqt forscht die Technische Universität München (TUM) gemeinsam mit der Landeshauptstadt München (LHM), den Stadtwerken München (SWM), der Hans Sauer Stiftung und der UnternehmerTUM sowie weiteren Partnern zur Mobilität in städtischen Quartieren.

Klimaveränderungen und eine immer dichter bebaute Stadt wirken sich auf unser Mobilitätsverhalten aus. Eine Neuverteilung der zur Verfügung stehenden Freiflächen ist notwendig. Gemeinsam – mit den Beteiligten vor Ort – suchen wir nach Lösungen, wie städtische Quartiere in Zukunft aussehen können. Welche Chancen entstehen dabei für die Nachbarschaft? Wie kann Mobilität im Quartier gerechter und sicherer gestaltet werden und gleichzeitig komfortabel sein? Gemeinsam sollen verschiedene Bausteine der Quartiersentwicklung entwickelt und getestet werden um schließlich ein verändertes Quartiersmodell zu erhalten. Dabei forschen wir zu Prozessen und Maßnahmen und bewerten diese mit Blick auf transdisziplinare Zusammenarbeit und zukünftige Herausforderungen der Stadt- und Mobilitätsgestaltung.

Laufzeit: November 2021 – Oktober 2024

Fördergeber: BMBF – Clusters 4 Future, MCube: Münchner Cluster für die Zukunft der Mobilität in Metropolregionen

Untersucht werden die sich beeinflussenden Faktoren aus Akteuren und Netzwerken, Raum- und Clusterstrukturen sowie Entscheidungs- und Planungsverfahren. Ein besonderer Fokus wird auf transdisziplinäre Forschungsarbeit und transformative Prozesse gesetzt. Wo immer möglich werden involvierte Stakeholderinteressen, politische Hürden und die Raumqualität berücksichtigt. Grundannahme der Forschungstätigkeiten ist, dass der Mobilitätswandel ein sehr komplexes Thema ist. Es geht um eine Kombination neuer Formen der Mobilität, mit den Alltagsroutinen der Menschen und einer Wiederbelebung des nachbarschaftlichen Zusammenlebens. Dabei sind nicht nur rationale, sondern auch emotionale bzw. „weiche“ Faktoren zu betrachten. Vor dem Hintergrund, dass einzelne technische Lösungen bisher nicht den notwendigen Wandel zur ökologisch und sozial nachhaltigen Verkehrswende eingeleitet haben bzw. nicht zu einer messbaren Reduktion des individuellen motorisierten Verkehrs geführt haben, sollen nun gestalterische, verkehrliche und nutzungsbezogene Potentiale zur Umwandlung von Verkehrsflächen eröffnet werden, die für eine nachhaltige und klimaangepasste Stadtentwicklung im Zuge der fortschreitenden Urbanisierung von Bedeutung sind. Somit spielt auch die Übertragbarkeit in andere Städte eine zentrale Rolle im Projekt. Die Forschungspartner gewinnen Prozesswissen und evaluieren dies in Bezug auf zukünftige Lehr-, Forschungs- und Planungsvorhaben sowie Entscheidungsprozesse.

Professur für Urban Design, Prof. Dr. Benedikt Boucsein

Marco Kellhammer, M.Sc. Industrial Design;
Mareike Schmidt, M.Sc. Architektur und Stadtplanung

Kontakt: aqt@mcube-cluster.com

 

Lehrstuhl für Siedlungsstruktur und Verkehrsplanung

Lehrstuhl für Verkehrstechnik

Lehrstuhl für Vernetzte Verkehrssysteme

Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik

Landeshauptstadt München

Stadtwerke München GmbH

UnternehmerTUM GmbH – DigitalHub Mobility

Hans Sauer Stiftung

 

Assoziierte Partner: VEOMO GmbH, ChargeX GmbH, TIER GmbH, SIXT AG, Bayerische Hausbau

Das Projektkonsortium begann im November 2021 die Arbeit am Forschungsprojekt. Neben der Indentifiaktion von Chancen und Herausforderungen in Transformationsprozessen, der Einbindung relevanter Stakeholder, sowie der interdisziplinären Zusammenarbeit von Wissenschaft, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft ist die Auswahl von mindestens zwei verschiedenen Quartieren Bestandteil des Forschungsprozesses. Hier sollen später unter Beteiligung der Forschungspartner und der Zivilgesellschaft Bedarfe, Hoffnungen und Ängste im Kontext der Mobilitätswende erhoben werden und in konkrete räumliche Maßnahmen überführt werden. Ziel dieser ersten Beteiligungsphase ist die Gestaltung von Maßnahmen, die als Reallabor im Sommer 2023 ausprobiert und bewertet werden. Der Münchner Stadtrat stimmte der Umsetzung von Pilotprojekten zum Mobilitätswandel in seinem Beschluss vom 01.06.2022 zu.

Die Forschung mit der Zivilgesellschaft ist essentiell und ermöglicht die transformative Wirkung. Darüber hinaus sollen konkrete städtische Bestandsquartiere im Kontext der Mobilitätswende untersucht werden. Räumliche Potentiale sollen so später kategorisiert und auf ihre Übertragbarkeit bewertet werden. Als Umriss und Quartiersdefinition dienen die Parklizenzgebiete des Mobilitätsreferats der LHM. Die Untersuchungsgebiete sollen innerhalb des Bereichs des mittleren Rings liegen und außerhalb des Altstadtrings. Die gesuchten Projektgebiete sollen sich nicht mit Untersuchungsgebieten bereits durchgeführter Forschungsprojekte überschneiden. Stadtteile, in denen in den vergangenen fünf Jahren zuvor ein Stadtteilentwicklungsprojekt realisiert wurde, sind von der Auswahl ausgeschlossen. Ebenso eignen sich nur Quartiere, in denen keine größeren Infrastruktur- und Baumaßnahmen während des Forschungszeitraums geplant sind. Geeignete Quartiere wurden auf folgende Eigenschaften untersucht und vergleichend gegenübergestellt:

•    Einwohner, Wohneinheiten, Anteil progressiver Sinus-Millieus, Anteil konservativer Sinus-Millieus
•    Stellplätze, Bewohner-Stellplätze, KFZ, private KFZ
•    Quartiersfläche im 300/600m Laufradius von U-Bahn-, Tram- oder S-Bahn-Haltstellen, Anteil der Verkehrsfläche an der Gesamtfläche, Durchschnittsgeschwindigkeit, Parkdruck, Freiraum, Grünflächenantel
•    Politische Zusammensetzung des Bezirksausschusses, Anträge im Kontext von Mobilität und Quartiersentwicklung im Bezirksausschuss

Die engere Auswahl wurde mit den Projektbeteiligten der LHM, TUM und SWM getroffen. Anschließend wurden die Bezirkausschussgremien der betreffenden Quartiere kontaktiert und in einem Termin die Potentiale und Möglichkeiten der Zusammenarbeit besprochen sowie im Unterausschuss Mobilität präsentiert. Schließlich wurde die Durchführung jeweils eines Reallabors in den vorgeschlagenen Projektgebieten von den betroffenen Bezirksausschüssen BA17-Obergiesing Fasangarten am 14.03.2023 und BA5-Au-Haidhausen am 15.03.2023 beschlossen.

Mit der Auswahl der Projektgebiete konnte die Beteiligung vor Ort beginnen. Anwohner:innen in den beiden Projektgebieten wurden im September 2022 mit einem Informationsbrief über das Forschungsprojekt informiert.

Noch im September fand eine zweiwöchige Summer School mit Studierenden im Rahmen des Forschungsprojekts statt. Hier wurden Beobachtungen durchgeführt, Kartierungen von Sitz- und Aufenthaltsmöglichkeiten angefertigt, Zählungen zur Parkraumnutzung erhoben sowie Interviews mit Menschen im öffentlichen Raum geführt. Gemeinsam mit der Hans Sauer Stiftung wurde eine mehrstufige Beteiligungsstrategie erarbeitet.

Von Dezember 2022 bis April 2023 fanden acht Beteiligungs- und Informationstermine vor Ort sowie zwei Online-Termine statt. Der Hinweis auf die Termine erfolgte vor allem durch Aushänge an Haustüren. Dokumentiert wurden Wünschen, Anregungen und Bedenken der Anwohner:innen. Ergänzend kamen Rückmeldungen aus Umfragen, Emails und Briefkasteneinwürfen hinzu. Vom 04.02.2023 bis 31.03.2023 wurde in den beiden Quartieren eine temporäre Eisstockbahn errichtet. Wie können wir auch im Winter Parkplatzflächen gemeinschaftlich nutzen? Die Intervention sollte auf das Forschungsprojekt aufmerksam machen und Potentiale des öffentlichen Raums beispielhaft eröffnen. Die Nutzung der Flächen war kostenlos.

Das Feedback aus dieser Beteiligungsphase, welche den Schwerpunkt auf Infortmation und Konsultation hatte, floss kontinuierlich in die Planungen der Maßnahmen für den Sommer ein.
Das Forscher:innenteam arbeitet derzeit an der Publikation der Ergebnisse aus der ersten Beteiligungsphase.

Südliche Au
Nach der Planung und Genehmigung der Maßnahmen konnten die Anwohner:innen am 01.06.2023 über die konkreten Maßnahmen, Umwandlung von Parkplätzen in Aufenthaltbereiche und Ausgleichsmaßnahmen informiert werden. Parkplätze im Quartier konnten vermehrt in reines Anwohnerparken umgewandelt werden. Alle Zu- und Einfahrten blieben weiterhin erreichbar. Versorgungs- und Rettungsdienste konnten die Kolumbusstraße weiterhin befahren, ebenso Radfahrer:innen. Autofahrer:innen konnten die Straße in einem Bereich von ca. 50 Metern nicht befahren. Der angrenzende Bereich wurde verkehrsberuhigt. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden gleichzeitig zur Eröffnung drei Mobilitätspunkte errichtet, die  dauerhaft erhalten bleiben.

Somit konnte der Versuch über den Sommer beginnen. In der Südlichen Au wurde das Reallabor mit einem Auftaktfest am 17. Juni eröffnet und die umgestalteten Straßen- und Verkehrsflächen feierlich den Anwohner:innen übergeben.

Die zu erprobenden Maßnahmen in der Südlichen Au betreffen zwei Quartiersplätze – den so genannten Entenbachplatz und den so genannten Schlotthauerplatz – sowie die Kolumbusstraße und den Edlingerplatz an der U-Bahn Haltestelle Kolumbusstraße.

 

Walchenseeplatz
Die Anwohner:innen der Landlstraße wurden ebenfalls Anfang Juni über die genauen Maßnahmen informiert, die hier den Bereich in der Landlstraße betreffen. Ebenfalls wurden Parkplätze für gemischtes Parken in reines Anwohnerparken umgewandelt. Alle Zufahrten waren weiterhin erreichbar. Der Straßenabschnitt war für den Rad- und Fußverkehr geöffnet. Angrenzend wurden Kurzparkzonen z. B. für Lieferdienste oder Pflegekräfte errichtet. Am 8. Juli wurde der Straßenabschnitt mit Anwohner:innen eröffnet.

 

Beide Reallabore sollten bis 31. Oktober 2023 bestehen. Aufgrund einer Klage gegen die Landeshauptstadt München je Projektgebiet erfolgte ein gerichtlicher Vergleich. Die beiden Reallabore wurden entsprechend bereits zum 25. Oktober abgebaut.

 

Die beiden Reallabore sind Kern des partizipativen Forschungsprozesses. Die in der Beteiligungsstrategie erarbeiteten Sprechstundenformate wurden ergänzt um Aktionen und Aktivitäten im Quartier. Mit Unterstützung von Studio|Stadt|Region gelang ein vielfältiges Programm. Die Mitwirkung der beteiligten Anwohner:innen war sehr hoch. Einiges an Feedback konnte im Verlauf des Sommers noch eingebracht und die Maßnahmen angepasst werden. Die temporär geschaffenen Freiflächen wurden auf vielfältige Weise genutzt – vom Hochbeetgärtnern, über Liegewiese bis hin zum Picknickbereich.

Gespräche während der Sprechstunden, Kommentare auf Feedbackkarten oder per Email, Beobachtungen, Messungen und Workshopergebnisse werden derzeit ausgewertet. Veröffentlichungen zu den Daten sind im Sommer 2024 geplant. Die Forschungsergebnisse sollen dann nicht nur wissenschaftlich sondern auch in den Quartieren präsentiert und diskutiert werden.

Mal angenommen, weniger Autos sind normal...
Was verändert sich, wenn wir mehr Raum für Menschen in der Stadt schaffen und den Autoverkehr reduzieren? Und wie sieht das in der Zukunft aus?

Nur wenn wir wissen, wo wir in Zukunft hinwollen, können wir entsprechend handeln und Mitgestaltung ermöglichen. Im Juli 2023 fanden deshalb an zwei Tagen Workshops mit 13 Bürger:innen der Südlichen Au statt. Nach einer Einführung, was Zukunft (nicht) ist, wurde am ersten Tag gemeinsam über die Annahme diskutiert, weniger Autos seien normal. Wie würde dies unsere Erledigungen, unsere Freizeit, Gesundheit, unser Sozialleben sowie unseren Beruf und Bildung beeinflussen? Drei Illustratoren haben die Workshopteams dabei unterstützt, Zukunftsvorstellungen für München im Jahr 2035 zu entwickeln. Am zweiten Tag stellten wir uns der Frage, was in den gemeinsam entwickelten Szenarien wünschenswert wäre und was nicht. Welche zukünftigen Geschichten aus dem Alltag der Menschen werden in den Szenarien erzählt?

Die Szenarien und Geschichten wurden geclustert, Akteure entwickelt und zu fünf Zukunftsbildern weiterentwickelt, welche am 7. Oktober im Rahmen des Zukünfte-Forums präsentiert wurden. In diesem Rahmen fanden drei Quartiersdialoge statt. Anwohner:innen waren eingeladen, Teil dieser Dialoge zu sein und ihre Rolle im Jahr 2035 einzunehmen.

Dieses Arbeitspaket ist Teil der Forschungsprojekte MCube aqt und TrEx
Marco Kellhammer und Dr. Stefanie Ruf, Professur für Urban Design der Technischen Universität München
in Kooperation mit Prof. Dr. Eileen Mandir, Fakultät Design an der Hochschule München

Visualisierungen:
Alicia V. Hergerdt und Viktor Späth
 

Die MCube aqt Reallabore werden von drei ausführliche Fragebogenstudien begleitet. So wurde im Mai 2023 vor der Durchführung des Reallabors befragt, Mitte Oktober während der Durchführung des Reallabors und eine weitere Befragung mit einem zeitlichen Abstand zum Reallabor steht noch aus und ist für Anfang 2024 geplant.

Ergebnisse dieser Befragungswellen werden derzeit wissenschaftlich ausgewertet und sollen zunächst wissenschaftlich publiziert werden. Darüber hinaus sollen die Ergebnisse dann in geeigneter Form mit der Stadtgesellschaft geteilt werden.

 

Eine erste Zusammenfassung des Projekts wurde bei der MCube Speaker Series am 14.12.2023 geteilt. Die Präsentation finden Sie online auf youtube ca. ab Min. 39


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