Rebugging the Metastadt

Workshop und Ausstellungsbeitrag im Sommer 2022
Lehrstuhl für Architekturinformatik, Prof. Frank Petzold
Luca Coromines, Agata Dalach, Nick Förster, Lena Keßler, Leonie Lux, Frank Petzold, Gerhard Schubert
in Kollaboration mit dem Lehrstuhl für Architekturtheorie (KIT, Nathalie Bedella) und dem Architekturschaufenster Karlsruhe

„Monumente Versinken. Architekten werden Metatekten. Planung wird Leben“, lautet der optimistische Slogan, mit dem Richard Dietrich 1969 das „Metastadt“-Projekt beschreibt. Ein Comic zeigt wie die Metastadt – ein frei konfigurierbares und aneigenbares Kubensystem – die Münchner Großsiedlung Neuperlach überwuchert. Das Metastadtbausystem wird als Kritik an der generischen top-down Planung Neuperlachs präsentiert: ein offenes und partizipatives System, das sich den Bedürfnissen der Bewohner*innen spielerisch anpasst und eine Vielzahl von Lebensentwürfen unterstützt. Gleichzeitig integriert das Projekt zeitgenössische technische Innovationen – digitale Simulationen, kybernetische Schaltkreise und standardisierte Bauteilkataloge. Diese werden zueinander in ein spielerisches Verhältnis gesetzt – die protodigitalen Voxel der Metastadt verbinden kybernetische Systeme, Planungssimulationen und partizipative Verhandlungen. 

Das Projekt „Rebugging the Metastadt“ nähert sich dem Metastadtprojekt auf eine experimentelle, spielerische Weise. Spekulativ werden die verschiedenen Systeme der Metastadt als (Computer-)Spiele nachgebaut. Einerseits entstehen im Entwurfs- und Spielprozess „Innen“-Perspektiven in das Metastadtprojekt. Andererseits werden Schnittstellen zwischen den verschiedenen Räumlichkeiten, Systemen, und Planungslogiken der Metastadt untersucht: Wie greifen ökologische Kybernetik, situationistische Erkundung und Baukastenspiele ineinander?

Verhandeln

Lena Keßler

Das Metastadtprojekt formuliert ebenso ein soziales Gefüge wie ein räumliches. So wie das Bausystem die Stadt räumlich konfiguriert, ist die Metastadt durch soziale Interaktionen und zwischenmenschliche Verhandlungen verbunden. Die sich stets wandelnden Räume der Metastadt spiegeln einen radikalen Gesellschaftsentwurf wider. Einerseits steht das gleichförmige Kubenraster für einen egalitäre gesellschaftliche Vision. Andererseits sollen die individualistischen Bewohner*innen der Metastadt ihren eigenen Raum einfordern und aneignen. In diesem ambivalenten Spannungsraum bewegt sich das performative Kartenspiel. Die Anweisungen auf den Karten lassen die Spieler*innen in Kontakt zueinander treten und die Metastadt zwischen gemeinschaftsorientierten und individuellen Perspektiven verhandeln. Nach der Aufgabe entfalten die Spieler*innen ihre Karte zu einem Kubus und ziehen METAphorisch ins METAstadtmodell ein. ;)

Kombinieren

Agata Dalach

Das Metastadt-Bausystem bietet eine spielerische Alternative zur traditionellen Stadtplanung: Es ersetzt die städtebauliche “Großform” des spätmodernen Neuperlachs durch die freie Konfiguration eines diskreten Kubenrasters. Die super-determinierte Struktur des Metastadt-Bausystems ermöglicht Flexibilität und individuellen Entfaltungsfreiraum. Die veränderbaren Formationen der Module stehen analog zu gesellschaftlichen Entwicklungen: Die hyper-flexible Meta-Stadtlandschaft überwuchert organisch die rigide Struktur Neuperlachs. Die “Form” der Metastadt ist ein algorithmisches, bewegtes Spiel. Konkret findet dieses Spiel seine Entsprechung in einem räumlichen Puzzle: Auf der Basis der Planung “Neuperlachs,” wächst die Kubenagglomeration wie ein architektonisches Tetris. Aus der Programmierung dieses Systems entsteht eine (un)harmonisierte Form: die Metagestalt der Metastadt.

Auswerten

Luca Coromines

In Anlehnung an kybernetische Konzepte konzipiert Dietrich die Metastadt nicht nur als räumliches Konstrukt, sondern auch als System von Abhängigkeiten, Prozessen und Feedbackschleifen. Die Metastadt wird somit als kybernetischer Organismus präsentiert, welcher sich konstant an veränderte ökologische, soziale und ökonomische Gegebenheiten anpasst. Allerdings kann ein so dynamisches System auch schnell das genaue Gegenteil umkehren – Unbehagen, Konflikt, Krise. Das Monitoring-Spiel untersucht diese Verknüpfungen und Verkettungen. In Abhängigkeit zu den anderen Spielen bewertet es die funktionale Ausgeglichenheit und Performanz des gebauten Metastadtmodels. Die Kuben werden wie Produkte mit einem Barcode-scanner eingelesen. Ein externes Display präsentiert die Key Performance Indicators der Verhandlungen und Interaktionen.

Bewohnen

Leonie Lux

Dieses Spiel macht die gelebte Realität in der Metastadt spekulativ erfahrbar. Richard Dietrich präsentiert die Metastadt als eine basisdemokratische Vision: Totalitär strukturiert das Metastadtbausystem (MBS) eine hierarchielose urbane Gesellschaft. Spieler*innen tauchen durch ein räumliches Text-Adventure in den Alltag der Metapolisten ein. Durch die Eingabe verschiedener Schlüssel-Wörter werden Szenen freigeschaltet – Innenperspektiven in die heterogene Struktur der Metastadt. Hierbei werden Fragen aufgeworfen: Gibt es Glitches und Konflikte im diskreten Kubensystem? Wer bewohnt die Schattenseite der Metastadt? Und: Hat Dietrich als Kopf des ganzen Experiments diesen seltsamen Ort jemals verlassen? 

 

Link zu Spiel: anonymousleopard.github.io/InhabitingMetastadt/