palimpsestLANDSCHAFT

 

Projektzusammenfassung von Julian Schäfer und Judit Thiel

Das Palimpsest von Ninfa

Im Garten von Ninfa zeigt sich eine Ambivalenz durch das unter Schutz stellen, Nutzen, Umbauen und des Wiederherstellen von historischen baulichen Strukturen und Anlagen. In Ninfa wurden die Überreste eines mittelalterlichen Dorfs mit seinen Gebäuden erhalten und vor dem völligen Untergang bewahrt.

Diese Vorgehensweise wäre aus heutiger Haltung des Denkmalschutzes unmöglich, weil sie nicht die Authentizität des Ortes berücksichtigt. Der Umbau in einen Garten geschah zudem mit der Willkür einer privaten Bauherrenschaft. Historische Relikte wurden dabei zu romantischen Follies und Staffagen in einem gartenkünstlerischen Ensemble. Um sie nutzen zu können, wurden sie verändert und an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst. Direkten Einfluss hat auch die Umgebung auf den Garten, wenn sich Blickbeziehungen in die Umgebung verändern: weil die zuvor landwirtschaftlich genutzten Berghänge nun brach fallen oder wenn in der Umgebung Häuser oder Stromleitungen gebaut werden, die vom Garten aus zu sehen sind.

Beim Konservieren und Restaurieren des Gartens ist also stets zu entscheiden, welcher Zustand wiederhergestellt werden kann und soll. Die Authentizität des Ortes basiert heute darauf, dass manchmal über das bloße Konservieren hinausgegangen wurde und dadurch Ergänzungen und Veränderungen möglich waren.

Das Agro Pontino im Palimpsest

Die Landschaft lässt sich als Palimpsest verstehen, in dem Inschriften gemacht, manche wieder ausgelöscht, neue hinzugekommen sind.  Die Agro Pontino enthält historische Strukturen, die aus der Zeit zu fallen scheinen – wie antike Relikte, Siedlungskerne des Mittelalters oder der 1930er-Jahre. Doch welcher Raum hat eine größere Daseinsberechtigung, welcher ist schützenswert? Relikte der Sumpflandschaft, Relikte der frühen Besiedlung oder Relikte der Landeskultivierung? Sind sie freizustellen, um betrachtet werden zu können – oder sollen sie im heutigen Alltag nutzbar sein? So wurde beispielsweise die Via Appia in ihrer räumlichen Struktur konserviert, während ihre Materialität an heutige Bedürfnisse angepasst wurde.

Neue Inschriften

Fragen, die sich im Garten im Kleinen abzeichnen, lassen sich also auch für die Landschaft als Ganze stellen: Darf Nutzung historischer Strukturen Veränderungen mit sich bringen? Wie tiefgreifend darf ein Umbau stattfinden, um sich an aktuelle Entwicklungen anzupassen (Adaption) und absehbaren Auswirkungen vorwegzugreifen (Mitigation)? Was hat in der Landschaft kulturellen Wert, was hat als Natur Eigenwert, was hat Alltagsbedeutung? Welche Strukturen sind in welchem Zustand zu erhalten, wiederherzustellen oder zu rekonstruieren?

 

Herausforderung im Studienprojekt

Im ersten Teil des Projekts betrachten wir den Garten sowie die Kulturlandschaft des Agro Pontino als Palimpsest. Dafür lösen wir die über die Jahrhunderte entstandenen Zeit- und Bedeutungsschichten voneinander, als mehrschichtiges Kartenwerk um einen freieren Zugriff auf Lösungsansätze für die genannten Fragen zu erhalten, die sich aus Klimawandel und Landflucht ergebende Problemlagen.

Analysis

Neue Strukturen

Im zweiten Teil sollen in großräumigen Konzepten neue räumliche Strukturen in das bestehende Palimpsest integriert werden, die auch neue Nutzungen zulassen: das kontextuelle Einfügen von erneuerbaren Energien, das Infragestellen bisheriger Landnutzung und des Umgangs mit Wasser sowie neue Formen der Landwirtschaft und des Wohnens.

Alle gewählten Ansätze sollen in einen räumlichen Entwurf im Umgriff von Cisterna di Latina, über Norma bis nach Sermoneta einfließen, um die Lösungsmöglichkeiten in einer neu entwickelten, konsistenten mediterranen Kulturlandschaft des 21. Jahrhunderts zusammenzuführen – mit dem Garten als Mittelpunkt.