Masterthesis

Themenfindung und Abgabeleistung
Masterthesen am Lehrstuhl für Architekturgeschichte und kuratorische Praxis werden auf Grundlage eines thematischen Vorschlags von dem/der Studierenden im vorausgehenden Semester mit dem Lehrstuhlinhaber persönlich vereinbart. Die Themenfindung ist bereits Teil der eigenständigen Auseinandersetzung mit einer historischen oder einer aktuellen Fragestellung der Architektur und es wird erwartet, dass der/die Bewerber*in schon im Vorfeld eigene Ideen zur Bearbeitung entwickelt hat. Die Abgabeleistung einer Masterthesis besteht aus einer schriftlichen Arbeit, deren Umfang sich ganz nach der jeweils gewählten Thematik richtet, in der Regel aber kaum unter 50 Seiten Text (Standardseiten à 1800 Zeichen, ggf. zuzüglich Abbildungen, Anmerkungen, Literaturverzeichnis etc.) liegt. Reine Entwurfsaufgaben werden nicht angenommen, sollte sich allerdings aus einer wissenschaftlichen Fragestellung ein Entwurfsvorschlag entwickeln, darf der Anteil nicht 20% übersteigen. Die Anfertigung von erklärenden Modellen o.ä. ist möglich, aber nicht zwingend erforderlich.

Ablauf
Zeitrahmen: In dem der Bearbeitung vorausgehenden Semester wird die Themenwahl und die Methodik zur Bearbeitung im Gespräch festgelegt. Hierfür muss das Modul AR30210-29: „Entwicklung von Forschungsfragen“ am Lehrstuhl belegt und erfolgreich abgeschlossen werden. Nach offizieller Anmeldung beim Studiendekanat beginnt die Bearbeitungszeit von 6 Monaten. In dieser Zeit sind Zwischengespräche mit dem Betreuer zu vereinbaren, die je nach Aufgabe und Bearbeitungsstand in unterschiedlichen Abständen stattfinden können. Entsprechend der Anzahl der am Lehrstuhl angenommenen Masterthesen wird u.U. auch ein internes Masterthesis-Kolloquium angeboten. Nach der fristgerechten Abgabe der schriftlichen Arbeit ist eine Präsentation zu erarbeiten (PPT / PDF, max. 15 Minuten, ca. 15–20 Folien) und am Ende bei der allgemeinen Masterthesis-Präsentation in Gegenwart der anderen Professoren der Architekturfakultät/TUM (Tech) Core Facility Architecture vorzustellen. Die Bewertung ergibt sich aus der Leistung der schriftlichen Arbeit und der abschließenden Vorstellung, grundlegende Elemente zur Beurteilung sind die Beherrschung wissenschaftlicher Methodik, die Entwicklung eigener Ansätze und Fragestellungen, sowie eine kritische Urteilsfähigkeit.

 

 

Thesen

WiSe 2022/2023

Außergewöhnlich – Universell – Wertvoll: Die Evolution der deutschen Nominierungsstrategie für das UNESCO-Weltkulturerbe im globalen Kontext sich erweiternder Welterbe-Konzeption
Ella Neumeier

Die Welterbekonvention der „United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization“ (UNESCO) macht sich seit fünfzig Jahren zur Aufgabe, Natur- und Kulturstätten von „außergewöhnlichem universellem Wert“ zu schützen. Ihr primäres Schutzinstrument, die Welterbeliste, schließt ein stetig wachsendes Konglomerat von Kulturstätten ein, das als übergeordnet bedeutend für die „Weltgemeinschaft“ eingestuft wird. Welche Kulturstätten diesem Anspruch entsprechen, hat sich seit den 1970er-Jahren stark geweitet. Auf der Liste lässt sich ein Paradigmenwechsel zugunsten eines breiteren Verständnisses von kulturellem Wert erkennen, der einerseits Parallelen zu nationalen Prozessen aufweist, und andererseits globalen Diskursen über Mitsprache und ausgewogene Repräsentativität kultureller Vielfalt geschuldet ist. Deutschland ist eines der konstant erfolgreichsten Länder und wird hier zur Betrachtungsgrundlage der Navigation dieses Paradigmenwechsels. Es wird die These verfolgt, dass die deutsche Nominierungsstrategie mit der Evolution der Welterbe-Konzeption korrespondiert, und dass gerade diese Analogie der Grund dafür ist, warum Deutschland so erfolgreich in der Welterbe-Arena agiert. Anhand der Analyse von sechs deutschen Nominierungen aus dem Zeitraum von 1978 bis 2021 werden spezifische Evolutionsschritte dieser „konzeptuellen Expansion" herausgestellt und in die Dichotomie aus nationaler Inwertsetzung und internationaler „Interessensbedienung“ eingeordnet. Aufzuzeigen, wie verwoben das europäische und deutsche Denkmalverständnis mit der Welterbekonvention ist, soll helfen, ausblickend zur Diskussion zu stellen, ob und inwieweit die dynamische Anpassungsfähigkeit von Staaten wie Deutschland einer tatsächlich repräsentativen, inklusiven Welterbeliste entgegensteht.

 

 

Evaluierung des Wissensaustausches in CINVA’s ländlichen Projektmethoden: Potentiale und Hindernisse für eine lokal definierte Entwicklung
Marlene Schneider

In Lateinamerika verbreitete sich nach dem Ersten Weltkrieg die Idee, dem Wohnungsmangel mit Projekten, die auf den Prinzipien der Selbsthilfe und gegenseitigen Hilfe aufbauten, entgegenzuwirken. Bei diesem Ansatz versuchten ExpertInnen die vom Wohnraummangel betroffene Bevölkerung zu motivieren, ihre Lebensbedingungen mit eigenen Ressourcen und der Kraft der Gemeinschaft zu verbessern. Um dieses Modell zu fördern, gründete die kolumbianische Regierung in Zusammenarbeit mit der Panamerikanischen Union im Jahr 1952 das Inter-Amerikanische Zentrum für Wohnungswesen und Planung (spanisch abgekürzt CINVA) in Bogotá, Kolumbien. CINVA existierte von 1952 bis 1972 als Forschungs- und Ausbildungszentrum und bildete junge lateinamerikanische Stipendiaten praxisorientiert und interdisziplinär in ländlichen und städtischen Projekten aus, damit diese die Wohnsituation in Lateinamerika verbessern können. Die ländlichen Ausbildungsprojekte konzentrierten sich darauf, die räumlichen Anforderungen der NutzerInnen an ihr Wohnumfeld zu verstehen und entsprechende Verbesserungsvorschläge zu machen. Um zu bewerten, ob die aktive Beteiligung der Bevölkerung und die akademische Herangehensweise von CINVAs ExpertInnen half, um deren Lebensbedingungen in Eigeninitiative gemeinschaftlich zu verbessern, konzentriert sich die Thesis auf ein repräsentatives Projekt, das 1957 in Chambimbal (Kolumbien) realisiert wurde. Dieses wurde anhand von Interviews mit ZeitzeugInnen und durch die Auswertung von Primärliteratur von CINVA aus dem Zentralen und Historischen Archiv in Bogotá rückwirkend bewertet. Dabei liegt der Fokus darauf, wie das akademische Wissen, das CINVAs ExpertInnen in dem Projekt beigesteuert haben mit dem lokalen Wissen der Anwohnenden von Chambimbal in den einzelnen Verbesserungsvorschlägen von CINVA verknüpft werden konnte. Die Untersuchungsergebnisse führten zu einer kritischen Reflexion der Vorgehensweise von CINVA. Der experimentelle Charakter des Projektes, sowie die akademischen Forschungs- und Ausbildungsziele hemmten in Chambimbal die Entwicklung einer Projektmethode, die ausschließlich auf die Bedürfnisse vor Ort einging. Die Arbeit regt dazu an, akademisches Wissen, das durch die Forschung in die Projekte getragen wird und lokales Wissen bei Selbsthilfe Projekten im Wohnungsbau gleichzustellen.