Die Umnutzungspotenziale einer stillgelegten Fliesenfabrik
freie Masterthesis (WS24)
Luca Reus
Ländliche Räume stehen vor vielfältigen Veränderungen, die durch demografische Entwicklungen, strukturelle wirtschaftliche Anpassungen und infrastrukturelle Herausforderungen geprägt sind. Gleichzeitig bieten diese Regionen Potenzial für neue Nutzungsformen, insbesondere wenn bestehende Areale und Industriebrachen weiterentwickelt werden. Die Wiederverwendung und Umnutzung solcher Standorte kann zur Belebung der Region beitragen, indem Flächen für Wohnen, Arbeiten, Kultur und gemeinschaftliche Aktivitäten geschaffen werden. Darüber hinaus leistet die Weiternutzung bestehender Gebäude einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, da Ressourcen geschont und graue Energie erhalten bleibt.
Das ehemalige Fliesenwerk „Albertwerke“ in Klingenberg-Trennfurt ist ein Beispiel für ein historisch geprägtes Areal mit Potenzial für eine solche Umnutzung. Die erhaltene Bausubstanz und die historische Bedeutung für den Ort machen das Gelände zu einem möglichen Ausgangspunkt für neue Nutzungskonzepte, die sich an den Bedürfnissen der Region orientieren. Dabei
spielt neben den sozialen und ökologischen auch der ökonomische Aspekt eine Rolle, da das Gebiet gut an die Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main angebunden ist. Diese Lage eröffnet Chancen für eine stärkere wirtschaftliche Verknüpfung und könnte das Areal zu einem attraktiven Standort für lokale Unternehmen, Kreativwirtschaft oder regionale Produktion machen. Eine erfolgreiche Entwicklung setzt jedoch die enge Zusammenarbeit zwische der Gemeinde, den Eigentümer:innen und den Dorfbewohner:innen voraus, um sicherzustellen, dass das Gebiet angenommen wird und niemand sich vernachlässigt fühlt. Ebenso spielt die Finanzierung eine entscheidende Rolle, da die Umsetzung tragfähiger Konzepte langfristige Investitionen erfordert.
Eingänge und Wege: Nicht nutzbare Gebäudeteile des dicht bebauten Areal werden abgerissen, um eine Durchwegung zu schaffen. An der Süd- und Ostseite werden Gebäude rückgebaut, um den Bewohner:innen einen direkten Zugang in das Areal zu bieten. Die bestehenden Eingänge im Osten und Nordosten sind von dem nahegelegenen Bahnhof sichtbar und leiten Besucher:innen selbstverständlich in das neue Areal.
Freiräume: Die betonierten Freiflächen und Wege des Areals sollen teilweise entsiegelt werden. Dabei können belastbare Flächen gepflastert oder als Kiesfläche ausgeführt werden.
Umnutzungskonzepte: Zur Unterstützung der wohnortnahen Primärversorgung in der Region und in Zusammenarbeit mit den an das Areal angrenzenden bestehenden medizinischen Einrichtungen sind Räume für Praxen und Bewegung geplant. Um die wohnortnaher Grundversorgung in Trennfurt sicherzustellen ist ein Regionalmarkt, eine Ortskantine und ein Café geplant. Zu Fuß erreichbar werden spontane Begegnungen gefördert und die Aufenthaltsqualität der Freiräume gesteigert. Das
Pflege- und Wohnkonzept sieht vor einen ambulanten Pflegedienst mit Wohnungen für Pfleger:innen aus dem In- und Ausland anzubieten. So kann den Pfleger:innen ein privater Rückzugsort in einem gemeinschaftlichen Wohnhaus geboten werden. Eine Kombination mit anderen Wohnformen ist zu erproben. Der dreigeschossige Stahlbeton-Skelettbau im Süd-Osten des Areals eignet sich aufgrund der Lage und des guten baulichen Zustands dafür.
Das Areal soll zukünftig für den Fuß- und Radverkehr ausgelegt werden. Lediglich Anlieferungs- und Rettungsfahrzeuge können das Areal befahren. Um die Straßenüberquerung zu sichern, die Erreichbarkeit des Bahnhofs zu gewährleisten und die Nutzungsverbindung des MVZ auf der Ostseite zu fördern, sollen Straßenquerungen eingerichtet, Gehwege verbreitert, Bordsteine
abgesenkt und der Straßenbelag farblich markiert werden. Die Höchstgeschwindigkeit wird auf 30 km/h begrenzt. Parkplätze für Bewohner:innen, Beschäftigte und Besucher:innen des Areals sind nord-östlich des zentralen Hallenbaus vorgesehen. Zusätzlich sind in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Park + Ride Flächen vorhanden.
Die Revitalisierung des Albertwerke-Areals eröffnet vielseitige Perspektiven für die Region. Durch gemeinschaftliches Engagement, eine schrittweise Entwicklungsstrategie und die sensible Integration des historischen Bestands in neue Nutzungsszenarien kann das Areal zu einem lebendigen Bestandteil der Dorfstruktur werden.