Anstelle von Tankstelle?
freie Masterthesis (WS24)
Anika Zeman
Sie sind allgegenwärtig, wo Mobilität auf Menschen und ihre gebaute Umwelt trifft. Doch was sind sie eigentlich für Orte?
Man kann sie als Sinnbilder der letzten 150 Jahre industrieller Entwicklung und automobilen Infrastruktur verstehen. Sie sind Symbole funktionaler Orte des Kraftstoffbezugs – stellvertretend für eine Epoche, in der fossile Energie, individuelle Mobilität und eine flächendeckende Verkehrsinfrastruktur zentrale gesellschaftliche Werte darstellten. Das übergreifende Bild der Tankstelle als Knotenpunkt zwischen Technik, Konsum und Bewegung spiegelt eine tiefe kulturelle Prägung durch das Automobil wider. Und gleichzeitig wird der konkrete Ort subjektiv und individuell wahrgenommen. Die Tankstelle bewegt sich zwischen Anonymität und Alltäglichkeit, zwischen Banalität und Mikrokosmos. Sie kann ein Identität stiftender Ankerpunkt in Nachbarschaften sein – und diese prägen.
Einerseits befinden sich Tankstellen heute realistisch in einer Umbruchphase: Sie sind kontaminierte, naturfeindliche Knotenpunkte individueller Mobilität und als Treibstoffversorgerinnen zunehmend obsolet. Andererseits besitzen sie in ihrer Banalität eine eigene Ästhetik – und einen emotionalen wie kollektiven Wert im sozialen Gefüge.
Städte wandeln sich. Mit dem Plan, die Münchener Innenstadt bis 2040 autoreduziert zu gestalten, entsteht ein Vakuum im Raum Tankstelle. Ihre Zukunft ist ungewiss – im klassischen Betrieb wird sie obsolet. Doch genau deshalb liegt ein immenses Potenzial in diesen Flächen: Sie bilden übergreifende Fixpunkte eines Infrastrukturnetzes, das in Zukunft anders funktionieren wird – und deshalb neu gedacht werden muss. Durch Dokumentation und Kartierung aller Tankstellen im und am Mittleren Ring können anhand vergleichbarer Parameter Schlüsse über die Zukunft gezogen werden.
Können diese Flächen so transformiert und überlagert werden, dass ihre assoziative Verbindung – als Orte der Bewegung, des Halts, des Übergangs – erhalten bleibt, und sie gleichzeitig auf vielfältige Weise zur Stadtinfrastruktur beitragen?