Projekt MA Isar Valley Downtown

Isar Valley Downtown

Team: Benedikt Boucsein, Elif Simge Fettahoğlu Özgen, Magdelena Müller

Einführung: Dienstag 18 Oktober 2022, 11h00
Fragen vorab per E-Mail oder persönlich sind willkommen.

Die letzten Jahre haben uns gezeigt, dass der Notstand näher ist, als wir erwartet haben. Wir wissen immer noch nicht, ob der Winter wie erwartet die akute Energiekrise bringen wird, aber wir wissen definitiv, dass der Notstand von einer wissenschaftlichen und philosophischen abstrakten Aussage zu einem realen, greifbaren Zustand auch in Deutschland geworden ist, und zwar schneller als befürchtet.  Gerade weil der Notstand nun ein Dauerzustand ist, geht es nicht mehr darum, wie wir in der Zeit der Krisen reagieren, sondern es geht darum, wie der anstehende Wandel ablaufen soll, in welcher Art von Gesellschaft und unter welchen Umständen wir leben wollen.  Im Idealfall greifen diese beiden Aspekte ineinander: die Behebung des Ausnahmezustands und die Schaffung einer besseren Art des Zusammenlebens auf und mit unserem Planeten. Deshalb ändern wir den Schwerpunkt der Reihe Emergency Munich Studios im WS 22/23: Ganz nüchtern müssen wir feststellen, dass der Notstand bis auf weiteres unsere Realität ist. Es ist daher zwingend notwendig, dass sich die Lehre an den Architekturfakultäten auf die Frage konzentriert, wie zukünftige Generationen an einer sinnvollen und informierten Transformation der gebauten Umwelt und der Gesellschaft insgesamt teilnehmen können. 

Es gibt drei Aspekte, die für den Wandel von zentraler Bedeutung sind: Die Tech-Industrie, die Medien und die Mobilität. Alle drei werden mit darüber entscheiden, ob wir einen egalitären, demokratischen Wandel erleben werden oder ob kapitalgetriebene, manipulative und machtzentrierte Kräfte die Oberhand gewinnen werden. Das ist keineswegs ausgemachte Sache und wird sich auch im urbanen Raum entscheiden. 

Alle drei Themen sind im Münchner Hauptbahnhofsviertel, dem Standort unseres Ateliers, relevant und aktuell sichtbar. 


Transformation Tech: Der Umbau der Arnulfpost durch Google und der wahrscheinliche Umzug von Apple in das "Elementum" an der Schwanthalerstraße können als Vorboten einer grundlegenden Transformation des Viertels durch den zunehmenden Einfluss der Tech-Branche gesehen werden. Das Gebiet gerät immer mehr in das Visier internationaler Investoren. Diese Entwicklung trifft auf ein kleinteiliges, multikulturelles Viertel, das nach wie vor als "Ankunftsstadt" für Zuwanderer aus aller Welt dient und sich durch zahlreiche kleine Geschäfte und einen kosmopolitischen Charakter auszeichnet. Die für den gesamten Großraum München geltende Frage, ob ein weiterer Zuzug der Tech-Industrie zu einem "Isar Valley" mit noch höheren Mieten und Lebenshaltungskosten führen wird, könnte sich damit im Bahnhofsviertel besonders akzentuieren. Wir wollen die Frage stellen: Was für eine Stadt wünschen sich die Tech-Beschäftigten? Wie ist sie mit anderen Interessen vereinbar? Welche Alternativen gibt es zu den Bürokomplexen der Konzerne? Und vor allem: Welche Rolle spielt Tech im Ausnahmezustand, wie könnte das Quartier das in Zukunft ausdrücken?

Transformation Medien / BR-Campus : Im nördlichen Bahnhofsviertel befindet sich die Zentrale des Bayerischen Rundfunks (BR) in einem ikonischen, Mitte der 1970er Jahre erstellten Hochhaus. Im südlichen Teil des Bahnhofsviertels befinden sich zudem verschiedene kleinere Radiostationen. In einer Zeit, in der die so genannten “Mainstream”-Medien durch “alternative” Medien in Frage gestellt und konkurrenziert werden, kommt Institutionen wie dem BR eine besondere Bedeutung zu. Mit dem Ziel, Ideen für einen neuen BR-Campus in der Innenstadt zu entwickeln, wollen wir die Frage stellen: Wie können sich Medien in Zukunft auch stadträumlich stärker mit der Öffentlichkeit verbinden? Wie werden entsprechende Gebäudekomplexe unter den gegebenen Bedingungen weiterentwickelt, was sind die Bedürfnisse von Bottom-up-Medienunternehmen? Und wie kommunizieren wir im und über den Ernstfall?

Transformation Mobilität: Der Umbau des Münchner Hauptbahnhofs ist in vollem Gange. Allerdings scheinen die Planungen nur den vorderen Teil zu betreffen und sind stark auf das Einkaufen ausgerichtet. Aber auch der Bereich zum ZOB hin und die Paul-Heyse-Unterführung sind entscheidend für eine bessere städtebauliche Einbindung. Es stellt sich auch die Frage, wie sich die angestrebte autogerechte Gestaltung der Münchner Innenstadt konkret auf das Bahnhofsumfeld auswirken wird. Wir wollen die Frage stellen: Wie kann das Hintere zum Vorderen werden, und wie kann die Marginalisierung des Viertels dadurch ein Stück weit aufgehoben werden? Und wiederum die Frage: Wie schaffen wir diese Veränderung unter den Bedingungen der Not? Durch einen schlanken, aber entschlossenen Wiederaufbau?

Alle drei Themen sind im Münchner Hauptbahnhofsviertel, dem Standort unseres Ateliers, relevant und aktuell sichtbar. Die Student*innen können ihren Fokus wählen, entsprechend der Gewichtungen und Gruppengrössen bestimmt sich auch der Charakter des Studios:Die Gruppe “Transformation Tech” beschäftigt sich mit im Winter laufenden partizipativen Verfahren und bringt sich in diese ein, recherchiert zudem in einer eher verschwiegenen Branche. Die Gruppe “Transformation Medien / BR-Campus” entwickelt einen räumlichen Entwurf für die Weiterentwicklung des BR-Geländes in der Innenstadt hin zu einem offenen, vielfätig nutzbaren Raumgebilde, im Dialog mit entsprechenden Personen beim BR. Und die Gruppe “Transformation Mobilität” hinterfragt den gesamten Raum hinsichtlich seiner Nutzung als Verkehrsraum, insbesondere schwierige Stellen wie die Paul von Heyse Unterführung oder den Busbahnhof. Idealerweise sind alle drei Gruppen gleich groß, es ist aber auch der stärkere Fokus auf eines der Themen denkbar.


In der Verschmelzung dieser Themen werden wir die "Transformative Downtown" vor dem Hintergrund der verschiedenen bereits eingetretenen und zu erwartenden Ausnahmezustände entwerfen. Der Entwurf wird politisch, radikal und schonungslos sein und sich von der Gebäudeebene bis zum Stadtraum erstrecken.


Jedes der drei Themen wird von einer "Arbeitsgruppe" bearbeitet, die sich aus den Mitgliedern der drei geografisch verteilten Gruppen zusammensetzt. Eine vierte Arbeitsgruppe wird den Masterplan ausarbeiten. In dieser Zusammensetzung wird das Studio zu einer intensiven Arbeitsumgebung.

Das Atelier wird in einer Ausstellung und einer offenen Diskussion gipfeln. Das Format der Ausstellung wird während des Kurses entwickelt. Neben dem Ausstellungsmaterial wird jede Gruppe ein Logbuch einreichen, das den Fortschritt des Ateliers dokumentiert.