Gewerbe-Gewebe - Textus Industrialis
Projektplattform Wintersemester 2024/25
Stadt- und Freiraumgestaltung
Thema
Auch in ländlichen und suburbanen Lagen sind über Jahrzehnte in einer Art Schattendasein Gewerbegebiete entstanden, welche den heutigen Lebensstandard mittragen. In ländlichen Gegenden entsteht zudem eine neue Nachfrage nach Raum für mittelständisches Gewerbe. Gewerbegebiete sind Orte des Konsums und der Produktion, die sich aus den funktionalen Ansprüchen der Gewerbetreibenden entwickelt haben. Durch ihre abgetrennte Lage von den Stadt- und Dorfkernen ermöglichen sie zudem das ‚ruhige Wohnen im Grünen‘. Gleichzeitig folgt die städtebauliche Logik dem Prinzip der Trennung von Wohnen und Arbeiten. Der resultierenden Form fehlt ein Spektrum an möglichen sozialen, ökologischen und ästhetischen Qualitäten. Dabei ist das Gewerbe einer der Treiber der hohen Flächenneuinanspruchnahme (Flächenverbrauch).
Umgriff und Analyse
Im Projekt analysierten wir verschiedene Gewerbegebiete im Unteren Mangfalltal (Feldkirchen-Westerham, Bruckmühl, Bad Abiling, Kolbermoor) – sowie ihre landschaftliche Umgebung. Die landschaftsmorphologische und siedlungsstrukturelle Einheit des Tals wurden so erfasst, dass die hier entshenden Gewerbetypen kategorisiert werden konnten. Wir stellten dafür sowohl die Bebauung als auch die Kulturlandschaft als Textur dar. Dafür wurden historische Pläne auf verlorengegangene Qualitäten untersucht und in der Gegenwart nach Ansatzpunkten für neue Entwicklung gesucht. Ziel war es, zu verstehen, wo keine Textur entstanden, sondern schematisch gebaut worden ist. Bei der Analyse entstanden somit Pläne, welche auf städtebaulicher Ebene an den Zeichnungsstil des Nolli-Plans angelehnt sind, um hier die räumliche Qualität des Bestands hervorzuheben und zukünftige Entwicklungen mit dem Bestand in Beziehung treten zu lassen.

Ziel
In jedem Entwurf wurden für die Gewerbegebiete des Tals aufbauend auf den bestehenden baulichen und landschaftlichen Strukturen kontextualistisch (nach Rowe)[1] eine mögliche zukünftige Entwicklung entworfen. Dabei entstanden soziale Orte, die im Sinne eines gemischten Gebiets Wohnen integrieren. Die Entwürfe zeigen, wie Gewerbegebiete zu Stadt- und Dorfbausteinen werden, die sowohl Teil der Landschaft als auch Teil des Siedlungskörpers werden und dabei ökologischen und klimatischen Mehrwert entwickeln. Mithilfe der Stimulanzien-Methode aus ‚Collage City‘ [1, 2] wurden neue Strukturen eingefügt, welche Textur neu aufbauen oder sich in eine bestehende Textur integrieren und damit eine Verbindung zwischen bestehendem Siedlungsraum und umgebender Landschaft herstellen. Die gefundenen Typologien wurden entwerferisch weiterentwickelt, städtebauliches Vorgehen nutzend: Volumen wurden aufgestockt, nachverdichtet, Freiräume werden von mehreren Nutzer:innen gleichzeitig beansprucht und der Freiraum so schließlich multifunktional. Die Entwürfe zeigen, wie Gewerbegebiete nachverdichtet werden können und dabei ein Mehrwert für die gesamte Gemeinde entsteht, wie Gewerbegebiete zu sozialen Orten werden und flächensparend Wohnen und Gewerbe zusammengedacht werden kann.
[1] vgl. Rowe, Colin und Fred Koetter. 1978. Collage City. MIT Press.
[2] Schäfer, Julian. 2023. Collage Landscape. Dissertation, mediaTUM.
Entwurf
Exkursion
Exkursion ins Untere Mangfalltal
Das Untere Mangfalltal ist geprägt von der Schönheit des Voralpenlandes, gleichzeitig Standort weit sichtbarer industrieller Strukturen. Gemeinsam verschafften wir uns sowohl einen Überblick über den Gesamtraum, indem wir von Hochpunkten das gesamte Tal überblickten, als auch die Gewerbestandorte zu Fuß ‘erwanderten’. Dabei wurde diskutieret, inwiefern heute noch oder schon Texturqualitäten vorhanden sind – und wie wir sie in der freien Landschaft und an Siedlungsrändern neu entstehen lassen können, um dem sozialen Miteinander und der Begegnung zu dienen.



Bachelor-Studio
Studierende in ihrem Vertiefungsprojekt ‚Landschaft‘ verwoben kulturlandschaftliche Strukturen und städtebauliche Strukturen so miteinander, dass sie im Sinne des Aspektwechsels (Wittgenstein) Räume entstanden, die sowohl als Bestandteile der Gewerbegebiete gelesen werden können als auch Strukturen der umgebenden Landschaft darstellen.
Master-Studio
In den Entwürfen des Master-Studios wurde darüber hinaus konzeptionell und entwerferisch ausgearbeitet, wie die Gebiete richtungsweisend an den Klimawandel angepasst werden müssen. Als integrierte theoretische Ausarbeitung war nachzuweisen, wie ein Regenwasser- und wie ein Energiesystem für die Gebiete funktionieren wird und allgemeiner ökologischer Mehrwert entstehen kann.