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Die Technische Universität München trauert um Joachim Haag. (* 5. November 1936; † 24. November 2021)

Joachim Haag, Hauptkonservator beim Bayerischen Nationalmuseum, hat 1997 als Beauftragter des Präsidenten der Technischen Universität München die anspruchsvolle Aufgabe übernommen, den Diplomstudiengang Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaften neu einzurichten. Mit großer Tatkraft und hohem persönlichen Einsatz hat er den Aufbau gefördert und vorangetrieben. Durch sein Engagement für eine fundierte Restauratorenausbildung und mit seinem umfangreichen fachlichen Wissen hat er sich besondere Verdienste um unsere Fakultät für Architektur erworben. Die Technische Universität München wird Joachim Haag ein ehrendes Andenken bewahren.

Schelinski[1], Kristina (2006): Joachim Haag

Auf der Internetseite des Lehrstuhls für Restaurierung findet man unter den ehem. Mitarbeitern den Restaurator Joachim Haag, Beauftragter des Präsidenten zur Einrichtung des Studienganges (von 1997 bis 30. November 1999). Ich konnte Herrn Haag in der Kaiserstraße treffen und ein Interview führen (ca. 1,5 h). Herr Haag erzählte von seinem Leben und beantwortete meine Fragen. Seine persönliche „Restaurierungsgeschichte“ erstreckt sich über 45 Jahre.

Herr Haag begann nach der Schule ein Geologie-Studium und arbeitete nebenbei in Fabriken, um das Studium zu finanzieren. Eines Tages traf er Klaus Endemann, mit dem er das Abitur gemacht hatte. Klaus Endemann war später auch ein bedeutender Restaurator für Wandmalerei. Er arbeitete zu diesem Zeitpunkt bei Johannes Taubert in der Restaurierungswerkstatt am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Herr Haag wollte und konnte dort dann auch mitarbeiten und verdiente sogar mehr Geld als in der Fabrik. Joachim Haag arbeitet im Landesamt für Denkmalpflege in München einige Zeit in der Gemälde- und Skulpturenrestaurierung, bis er sich der Wandmalerei zuwandte. In der „Restaurierung“ wurde ihm damals bewusst: „So kann es nicht weitergehen, so einen Beruf willst Du nicht haben – das ist ja eher Landstreicher oder ähnliches.“ „Dies war um 1959, wobei das mit dem Studium noch parallel lief.“

Joachim Haag stellte sich im Doerner Institut vor, wo er ein halbes Jahr als Volontär arbeite, danach wurde er fest angestellt. Christian Wolters war zu diesem Zeitpunkt Leiter und Hermann Kühn Chemophysiker am Institut. Das Doerner Institut befand sich damals in der Meiserstr. 10 und trug den Namen „Institut für naturwissenschaftliche Gemäldeuntersuchungen“. 1968 trat Haag eine Stelle in Kassel (staatliche Museen in Kassel, Schloss Wilhelmshöhe) an, wo Karl-Werner Bachmann sein Vorgänger war. Haag war Zweiter Vorsitzender im Verband deutscher Gemälderestauratoren (DVdGR), später erster Vorsitzender des DRV, zusammen mit Bruno Heimberg, und verfasste die neue Satzung für den Verband. 1972 verstarb Ernst Willemsen und Joachim Haag wurde sein Nachfolger im Rheinischen Denkmalpflegeamt. Nach sieben Jahren im Denkmalpflegeamt wollte er wieder nach Bayern. Er gab nach acht Jahren den Vorsitz im DRV ab und wechselte an das Bayerische Nationalmuseum München; dort wurde er verbeamtet und kämpfte fast 20 Jahre lang für die Entstehung des Lehrstuhls in München. Heute ist Herr Haag im Ruhestand.

Seine Generation – Karl Werner Bachmann, Agnes Gräfin Ballestrem, Klaus Endemann – waren eine Pioniergeneration. Sie kamen alle aus der Werkstatt von Ernst Willemsen, nur Karl Werner Bachmann lernte bei Johannes Taubert.

 

Interview

So kann es nicht weitergehen, so einen Beruf willst Du nicht haben – das ist ja eher wie ein Landstreicherleben oder ähnliches. Ich habe auf vielen Baustellen in der Denkmalpflege gesehen, welchen Einfluss Kirchenvorstände und die Pastoren hatten, die sagen konnten: ich hätte es gerne so und so und dann wurde es so gemacht. Das war um 1959, da lief das mit dem Studium noch parallel.

Die Restaurierungspraktiken – es war ja eine Zeit, in der durch Willemsen und Taubert die Bedeutung einer Skulpturenfassung mehr und mehr ins Bewusstsein nicht nur der Restauratoren sondern auch der Kunstgeschichte gerückt wurde. Es ist eine große Leistung, die aber zur Folge hatte, dass „Restaurieren der Skulptur“ automatisch das Freilegen der Originalfassung bedeutete. Was die Allermeisten nicht wussten war, was ist eigentlich Originalfassung? Sie haben dann immer so lange gekratzt, bis nichts mehr kam und ich habe dann beobachtet, wie unglaublich viel zerstört wurde – dadurch, dass die Restauratoren das Freilegen als einen Beleg hoher Qualifikation angesehen haben. Und was das Gegenteil bewirkt hat.

Daher bin ich zur Wand übergegangen, wo ich noch viel schlimmere Dinge erlebt habe. Vom Geologie-Studium her war ich in Physik und Chemie mit der Wand einigermaßen vertraut – was da alles gemacht wurde, schrie gen Himmel. Aus diesen Beobachtungen ist in mir immer mehr der Wunsch gewachsen, den Beruf mit mehr Wissen und mit mehr ethischer Substanz zu füllen und nicht mehr oder weniger ein Dienstleister für die Geschmacksumwandlung historischer Urkunden zu sein.

 

Warum bzw. wie hatten sie damals schon erkennen können, dass da etwas schief lief?

Bei den Geologen ist es so, wenn sie in der Landschaft irgendeinen Aufschluss über eine geologische Zeit haben, dann sind sie ein glücklicher Mensch, der zur Bewahrung dieses Aufschlusses alles Mögliche tut. In der Regel ist das dokumentieren genau dessen was man hat, mit Maßen und Gewichten und allen möglichen, was man fest machen kann.

Davon war ich geprägt. Und wenn ich gesehen habe, wie junge Damen und auch junge Männer – es war ja ein Beruf für höhere Töchter – wie sie mit dem Skalpell, das sie kaum halten konnten, nicht zu schleifen verstanden, an Skulpturen arbeiten und die Originalfassung – die sie nie gesehen hatten – freizulegen, da bekam ich schlaflose Nächte.

Daher war die Wand nun auch nichts für mich, was auch noch persönliche Hintergründe hatte. Ich hatte mich ein paarmal am Doerner Institut beworben, weil das schon damals einen sehr guten Ruf genossen hat. Und habe dann immer abschlägige Nachrichten bekommen. Bis ich eines Tages mit meinem kleinen Lloyd-Auto nach München gefahren bin und mich beim Doerner Institut vorgestellt habe. Dort wurde ich als dann gleich als Volontär genommen. Dort war ich ungefähr ein halbes Jahr als unbezahlter Volontär tätig – auch das hat es früher noch gegeben. Ich habe dann munter darauf los gearbeitet, nach meinen Vorstellungen, und sie fanden das nicht schlecht. Später war mein Geld zu Ende und ich hatte gegrübelt, wie mache ich Ihnen klar, dass ich jetzt nicht mehr kann. Daraufhin wurde mir eine Stelle angeboten, das war für mich ein großes Glück: Das erste Mal im Leben regelmäßig bezahlt, das erste Mal eine eigene Wohnung.

 

Das Doerner Institut war damals in der Meiserstr. 10 (heute ZI). Da war eine restauratorische Abteilung für die Staatsgemäldesammlungen und daneben existierte das Doerner Institut, dessen Untername „Institut Ihr naturwissenschaftliche Gemäldeuntersuchungen“ war. Da kann man sagen, dass war zu der damaligen Zeit tatsächlich üblich, man gab sich dort sehr große Mühe. Christian Wolters war damals der Chef des Instituts und der Chefchemophysiker war Hermann Kühn. Wolters war im Nebenfach Physiker – Kunstgeschichtler und Physiker. Und so war eben das Interesse daran, was ist das Gefüge eigentlich, das mess- und wägbare Gefüge, was wir als Kunstwerk würdigen. Und welchen Gesetzmäßigkeiten unterliegen die Veränderungen und das ist ja nun wirklich die zentrale Frage, die aber erstmal nur gestellt werden kann von jemanden, dessen Intellekt geschult ist und gelöst, wenn überhaupt, aber annähernd von jemanden, dessen Intellekt in vielen Schubladen aufmacht mit denen er sich den Problemen widmen kann. Und das können sie nur studieren.

Um eine Frage an Herrn Kühn, eine ihn interessierende Frage über einem Sachverhalt an einem Bild zu stellen, müssen Sie in der Lage sein, die Frage so zu formulieren, dass Kühn sagen kann, ja oder nein – so ist es. Die Frage kann er am Objekt nicht entwickeln. Aber Ihre Frage überprüfen kann er. Das war die große Tugend des Instituts. Man war nicht hektisch und trank gerne Tee und Kaffee. Es kamen die Kunsthistoriker zum Tee trinken und wir saßen oft vor Bildern die gerade ins Atelier gekommen waren und haben über die Restaurierung gesprochen: ob oder nicht –- was die erste wichtige Frage ist, und wenn, wie. Welche Vorstellung hat der Kunstgeschichtler, welche vertritt der Restaurator? Das wurde theoretisch durchgeschwatzt und dabei kamen viele interessante Gedanken auf den Tisch. Das ist heute leider nicht mehr so. Ich habe damals kennen gelernt, wie förderlich für das Objekt und dessen Zukunft es ist, wenn zwischen den Restauratoren, Kunsthistorikern und den Naturwissenschaften keine hierarchischen Probleme sind. Wenn die miteinander reden können, dann macht es miteinander richtig Spaß. Das heißt, sie können auch nur miteinander reden, wenn sie einander anerkennen. Und wenn der Restaurator sich für die nur als gut gefütterter und geschickter Pavian erweist, dann ist das schon abgeschnitten, dann ist es vorbei und die Restaurierungen des Objekts unterliegt Zufälligkeiten.

Ich hatte meine erste Stelle außerhalb Münchens in Kassel, 1968. In einer bedeutenden Galerie, einen relativ kleinen Mitarbeiterstab, überschaubar. Karl Werner Bachmann war mein Vorgänger dort – es ist ein ganz interessanter Aspekt, wie diese Generation, die eigenen Wege immer wieder sich kreuzen – das ist erstaunlich.

Diese Generation von Bachmann, Agnes Ballestrem, Klaus Endemann und ich und andere, sind eigentlich eine Pioniergeneration, die da auf der Basis von Überlegungen- also Endemann, Ballestrem und ich, waren z. B. bei Willemsen in derselben Werkstatt, wir kommen alle aus demselben Topf und Bachmann war bei Taubert. Es ist wirklich ein Nukleus. Wir waren die Pioniere, die dieses Anspruchsdenken an die Qualitäten des Berufs in ihre Dienststellen hineintrugen, damit natürlich zwingend Irritationen in der Hierarchie auslösten. Denn ein Restaurator, der nicht schweigend den Auftrag eines Kunsthistorikers erfüllte, der war ein aufmüpfiger, verdächtiger Zeitgenosse. Und das war ein sehr sehr langer Weg, den auch ich in Kassel zu gehen hatte.

Ich war damals schon im Verband deutscher Gemälderestauratoren (DVdGR) als zweiter Vorsitzender, weil ich eingesehen hatte – das geht nicht. Also wenn, muss von außen Kontrolle in die Systeme hineingetragen werden. Sonst berührt niemand diese hierarchischen Fragen.

Ich hatte dafür gesorgt, dass eine Mitgliederversammlung und eine Tagung in Kassel war, um auch zu zeigen, da gibt es Restauratoren. Da dankt dann der damalige Vorsitzende ab und ich war nun plötzlich dran. Da habe ich mir gedacht, das musst du einfach machen, aus dem Verband muss was werden. Und zwar ein Instrument, das wirklich eine Fachvertretung sein kann. Dann habe ich den Heimberg bequatscht, dass der mit macht. Das war eine sehr fruchtbare Geschichte. Der hat die neue Satzung für den Verband entworfen – eine ganz schweizerische Gradlinigkeit mit eingebracht. Und dann haben wir die Satzung durchgedrückt in einer Sondersitzung. Immer wieder tauchte auf, dass es die Ausbildung sein muss mit deren Absolvierung der Anspruch durchgesetzt werden muss.

Erst als Straub kam, da begann die Sache sich dem anzunähern, was wir so in unseren Vorstellungen hatten. Mein Ziel jedenfalls war, die acht Jahre, die ich das gemacht habe, dafür zu sorgen, dass anständige Transportmittel klar gemacht wurden, dass die Beteiligung der Restauratoren entsprechend organisiert wird und akzeptiert wird und immer als Programm der berufsständischen Vertretung (DRV) und das war eine ganz fruchtbare Sache. Zum Beispiel die Firma Hasenkamp hat nur die Qualität ihrer Transportmoral und -Technik dadurch geschaffen, dass der Kontakt zum DRV so gut war. Überall, wo die Qualität so gut war, waren DRV-Vertreter und das hat sie gezwungen, wie Herr Schneider von Hasenkamp, einfach das Niveau anzuheben.

Und dann war das Problem mit der hochschulischen Ausbildung. Stuttgart so wie es war, war uns eigentlich an der Kunstakademie also nicht das Gelbe vom Ei, aber es wurde immer gelber. Je länger Straub sich der Sache annahm. Straub kam aus dem Cortould Institut aus London und brachte eigentlich die Vorstellung von Stephen Rees Jones mit, bei dem ich auch mal einen Kurs gemacht habe. Dann weitete sich die Sache aus, dass der DRV, besonders durch meine Nachfolgerin, Agnes Ballestrem, die Forderung nach der Ausbildung der Fachhochschulen favorisierte. Fachhochschulen aus dem Grunde, als einzige hochschulische Institution, die Praxis und Theorie koppeln können. Die Universität kann das nicht – das war ein ganz langwieriger Kampf. Und man merkte, dass Bayern die hochschulische Ausbildung ablehnte.

1972 starb Willemsen. Ich wurde sein Nachfolger in der Denkmalpflege. Das habe ich sieben Jahre gemacht und dann habe ich mir gedacht, jetzt gehst Du nach Bayern. Da habe ich den Vorsitz des Verbandes abgegeben und bin ans Nationalmuseum gegangen und habe mich auch noch verbeamten lassen. Denn Angestellte haben ja so gut wie gar keine Chance ins Ministerium zu wirken. Dann begann ein beinahe 20jähriger Kampf mit viel Geduld. Es wurde im Landtag beschlossen: in Bayern kommt auf keinen Fall eine Fachhochschulausbildung zustande. Schließlich war man dann in Bayern bereit, die ganzen anderen Bundesstaaten hatten schon ihre hochschulische Ausbildung, nun stand Bayern blöde da, als kulturdicht bestandenes Land. Es blieb nur noch die Hochschule und den Weg konnte man dann ja noch gehen. – Die zwanzig Jahre Kampf sind durchgestanden, den Lehrstuhl gibt es.

 

Was halten sie von der Ausbildung am Lehrstuhl, da es hier keine praktische Orientierung gibt?

Zu Anfang habe ich ja gesagt, dass man vor allem vor dem Restaurieren mit geschärften intellektuellen Mitteln ran geht. Das ‘Restaurieren können‘ ist in aller Regel ein Ding von intellektueller Ausbildung und dem Erwerb von Erfahrung. Erfahrung können sie nicht schulisch vermitteln, das macht jeder selbst. D. h. je geschliffener der Intellekt ist, um so mehr Einfluss wird das auf das Gewinnen von Erfahrung haben. Wenn jemand also mit klugen Köpfchen beobachtet, jeder Eingriff, den ich mache kostet historische Substanz, denn wird er nachdem er das geprüft hat, ob er das umgehen kann, zum Schluss kommen: dann lass ich die Finger davon. Ich nähere mich den Ergebnissen, die ich erwarte auf anderem Weg. Es hält niemanden davon ab, der das Diplom hat an der Universität, Erfahrungen zu sammeln, er startet nur an einem anderen Punkt. Wie immer es ist, die Ausbildungserfolge richten sich nach den Individuen, die ausgebildet werden [...] Learning by doing ...

Mein Traum wäre gewesen, in den Semesterferien hier an der Uni praktische Arbeit zu unterrichten. Die Phänomene, wenn sie irgendein Klebemittel unter eine Blase transportieren wollen, das ist pure Physik. Und wenn sie in der Lage sind den Leuten zu erklären, welche Kapillaren gerade die richtigen sind, um diese Flüssigkeit zu transportieren, dann kürzen sie den Weg der Irrtümer ab und das wäre gut.

Die Tatsache, dass man promovieren kann, ist viel Wert. Die Promotionsergebnisse sind die, die die Arroganz der Kunstgeschichtler aufweichen lassen. Es geht darum, die Anzahl und die Qualität derer zu erhöhen, die sich mit den Kunstwerken, den historischen Urkunden, auskennen. Uns fehlt ja viel Grundlagenwissen, beispielsweise aus oder für den Restaurator entwickelte Physik gibt es nicht. Es gibt die allgemeine Physik, die wir studieren können, die ist aber gleich so abgehoben.

Das Studieren ist eigentlich nichts anderes als ein Vorgang der Befähigung. Wie bei Ärzten, z. B. ob die mal gut werden oder nicht, das hat kaum einer in der Hand. Und in sofern kann man auch nicht ausschließen, dass nach dem Studium jemand herauskommt, schnell einen Weg findet, wie er bei der Anwendung an Objekten diese nicht beschädigt. Das ist auch nicht auszuschließen. Aber die Theorie funktioniert am Objekt auf die und die Weise und führt zu dem und dem Erfolg und verdichtet das Lernen natürlich ungeheuerlich [....] Bedauerlich ist, dass, im Gegensatz zu früher, der öffentliche Dienst, also die Museen und die Amtswerkstätten, immer weniger Leute in Ausbildung nehmen, das ist ganz schlecht. Denn gerade der Umgang mit historischen Objekten und Anwendungen an ihnen, wenn sie nicht kommerziell gedrückt sind, geben natürlich viel mehr Möglichkeiten, in Ruhe nachzudenken. Dann ist in der Regel in öffentlichen Sammlungen die Qualität der Objekte sehr hoch, das heißt also, die Verantwortung wird sofort gespürt, wenn man da Hand anlegt. Mit dem Niedergang der Finanzmöglichkeiten im Kultusbereich ist das eigentlich weggeworfen.

Wenn sie mal ins Nationalmuseum gehen und sich die Skulpturenabteilung vom Mittelalter kritisch anschauen, sowohl Skulpturen als auch Gemälde, dann werden Sie sehen, dass die Sammlung vollständig ruiniert ist. Es war in einer Zeit, wo die Kunsthistoriker gesagt haben, so und so wird es gemacht – das war vor dem Krieg, verheerend. Es existieren da Erlebnisbüchlein, wo steht: Montag kommen fünf Skulpturen und sechs Gemälde mit Rahmen – am Freitag steht: Alles fertig restauriert, wir sind sehr erschöpft!

 

Was hat nach Ihrem Erachten der Beruf des Restaurators heute für einen Stellenwert in der Gesellschaft?

Das Bild des Restaurators in der Gesellschaft, besonders über die Presse transportiert, ist absolut katastrophal. Da geht es immer um das Wiedererlangen des ehemaligen Glanzes, das kann man dann noch übertreffen ... es ist wirklich verheerend. Das es ein solider Beruf, der über den Erhalt von Substanz zu forschen hat und zur Forschung Beiträge liefert, das interessiert die Leute nicht. Es sind immer die Sensationen, die auch hoch gepuscht werden – der Säureattentäter hat so ungefähr den Popularitätsrang des Braunbären. Die solide Arbeit ist ganz schwer vor diesem Schleier ins Bewusstsein zu rücken [...] Man muss ja auch leider ein bisschen davon ausgehen, das sollen die Leute kapieren, da kommt man schlecht aus ohne solche Vorher-Nachher-Sensatiönchen.

Das Restaurieren ist die Bemühung, die Lebenserwartung historischer Urkunden zu erhöhen – das ist ein wissenschaftliches Problem. Wenn das gut gemacht ist kann viel Arbeit investiert worden sein und das Erscheinungsbild eines Objektes hat sich keine Spur verändert. Bei diesen ganzen Restauratorengeschichten, die auch in den Verbänden immer transportiert werden, werden sie ganz selten erleben, dass ihnen jemand sagt, ich habe das Objekt untersucht und es kam im dem und dem Zustand und ich habe es eingesehen, dass es nicht nötig ist, Hand anzulegen, aus dem und dem Grund. Es wird immer berichtet, ich habe das genommen gemischt mit dem 1 zu so und so viel ... alles Sachen, die sie in der Pfeife rauchen können. Denn wenn man ehrlich ist, kann das auf x zutreffen, auf y aber gar nicht. Der Restaurator ist kein Rezepte-Anwender, sondern ein Therapeut, der auf diagnostischem Wege sich dem Objekt nähert. Das kriegen sie schlecht transportiert.

 

Wie schätzen sie die Zukunft ein und was würden sie den Studenten mit auf den Weg geben?

Restauriert gefälligst anständig, Bedarf wird immer sein [....] Die Kunst wird immer in Gefahr sein, der Mensch wird nicht kultivierter. Im Gegenteil, mit der Verfügbarkeit von allen gegen jeden nimmt die Sorgfalt ab. Die Zukunft ist gut und wenn man ermuntert, dass nichts Falsches gemacht werden soll, dann sind die Leute auch gut beschäftigt.

 

Was halten sie von der Ausbildung Bachelor und Master?

Ich halte es für ein absolutes Verhängnis, weil es kontraproduktiv ist, wenn man auf dem Wege ist eine höhere Qualifikation zu erreichen. Definieren muss man, was eine höhere Qualifikation bedeutet. Das ist das Angleichen an schlechtere Ausbildungssysteme, wenn ich das polemisch mal so formulieren darf.

 

[1] Seminararbeit TUM (SA 686), SS 2006; gekürzt.