Die Erhaltung von Sichtbeton als historische Praxis – Entwicklungslinien der Betoninstandsetzung in Deutschland zwischen 1961-2001
Die Zahl der Bauten mit Sichtbetonfassade nimmt nach dem zweiten Weltkrieg sprunghaft zu und folglich steht heute eine steigende Anzahl von ihnen im Fokus der Denkmalpflege. Dabei fällt auf, dass an Sichtbetonbauten heute bereits vorangegangene Erhaltungsmaßnahmen ablesbar sind. Gerade im denkmalpflegerischen Kontext stellt sich also die Frage nach dem Umgang mit diesen zeitlichen Schichten – den Spuren historischer Betoninstandsetzungen wird aber bisher meist kein eigener Wert beigemessen.
Die Instandsetzung von Schäden gehört von Anfang an zur Bauweise dazu, denn der Chemismus des Kompositmaterials wird erst ab den 1960er Jahren vollständig verstanden: Die Erforschung von Schädigungsprozessen erfährt ab diesem Zeitpunkt einen deutlichen Schub durch neue Erkenntnisse zum Zusammenhang von Karbonatisierung und Bewehrungskorrosion. Das Dissertationsvorhaben nimmt also eine Zeitspanne beschleunigter Entwicklungen in den Fokus, in der die Instandsetzung von Beton erstmals zum eigenständigen Thema wird. Einerseits entsteht die Notwendigkeit zur Vereinheitlichung immer neuer Verfahren, in deren Folge wird aber auch der Ruf nach „denkmalgerechteren“ Methoden laut.
Ziel der Arbeit ist es, übergeordnete Entwicklungslinien der Genese von Materialien und Verfahren zur Betoninstandsetzung im Hochbau aufzuzeigen und diese auf ihre Kontinuität hin zu überprüfen. Insbesondere soll die genannte Entwicklung im Verhältnis zu den jeweiligen zeitgenössischen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Schädigungsprozessen, dem Stand diagnostischer Verfahren und der Instandsetzungstechniken betrachtet werden. Die literatur- und archivalienbasierten Recherchen sollen mit bauforscherischen Untersuchungen an ausgesuchten Fallbeispielen abgeglichen werden. Hier sind besonders Bauten, die im damaligen deutschen Fachdiskurs prominent besprochen wurden, von Interesse.
Die Bewertung instandgesetzter Stellen an Sichtbetonfassaden wird bisher allein durch Berücksichtigung technischer und ästhetischer Gesichtspunkte bestimmt. Das Vorhaben strebt hier erstmals die Erweiterung um den Aspekt der wissenschafts- und bautechnikgeschichtlichen Betrachtung an.
Elisabeth Hinz, Dipl.-Ing. (Arch.) TU Dresden
seit 2021
Zugehöriges DFG-Forschungsprojekt
Zum Umgang mit historischen Betoninstandsetzungen – Wertung und Umgang mit früheren Instandsetzungsmaßnahmen bei Sichtbetonbauten der Hochmoderne